Forschungsnetzwerk zur Rettung des schweizerischen Rübenanbaus
Die Zuckerrüben waren im Anbaujahr 2020 stark von der virösen Vergilbung befallen. In den Befallsgebieten der Westschweiz führte dies zu Ertragsverlusten von 30 bis 50%. Der Grund dafür ist der Wegfall der neonicotinoidhaltigen Saatgutbeizung mit Gaucho, welche die Rüben während der letzten 25 Jahre schützte. Eine befristete Notfallzulassung von Gaucho für den Anbau 2021 wurde vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nicht genehmigt. Stattdessen wurden Forschungsgelder zur Erarbeitung von Bekämpfungsmassnahmen gesprochen. Die Fachstelle für Zuckerrübenbau (SFZ), Forschungsinstitutionen Agroscope, die Hochschule für Agrar- Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) sowie die kantonalen Pflanzenschutzfachstellen haben daher gemeinsam am 24.3.2021 ein Forschungsnetzwerk zur Rettung des schweizerischen Rübenanbaus gegründet.
Wenn hochwirksame synthetische Wirkstoffe zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten wegfallen und gleichzeitig keine Alternativen zur Verfügung stehen, können grosse Ernteverluste entstehen. Nur zwei Jahre nach dem europaweiten Verbot der Neonicotinoide waren im Herbst 2020 westlich von Solothurn die Felder aufgrund der virösen Vergilbung gelb und die betroffenen Landwirte mussten hohe finanzielle Verluste in Kauf nehmen. Die Anbaubereitschaft ist auch durch weitere Krankheiten in der Schweiz stark rückläufig, im aktuellen Anbaujahr werden 1545 ha weniger Rüben gesät. Ohne die Förderprogramme der Kantone Waadt, Fribourg und Genf zur Stabilisierung der Anbaufläche wäre die Produktion von Schweizer Zucker in 2021 noch stärker unter Druck geraten.
Zur Bekämpfung der grünen Blattlaus, welche als Hauptüberträgerin der virösen Vergilbung gilt, hat das BLW per Notfallzulassung und befristet für ein Jahr einerseits die beiden Wirkstoffe Acetamiprid sowie Spirotetramat zur Flächenspritzung zugelassen. Andererseits wurden von Agroscope für die nächsten 8 Jahre umfangreiche Forschungsgelder für die Zuckerrübe gesprochen.
Die Fachstelle für Zuckerrübenbau (SFZ), die Forschungsinstitutionen Agroscope, die HAFL, das FiB sowie die kantonalen Pflanzenschutzfachstellen haben daher am 24.3.2021 ein Forschungsnetzwerk zur Rettung des schweizerischen Rübenanbaus gegründet. Gemeinsam sollen in diesem Netzwerk Lösungen für die grossen Herausforderungen des Zuckerrübenanbaues entwickelt werden. Diese Aktivitäten werden von der SFZ koordiniert. Im Vordergrund stehen Bekämpfungsstrategien gegen die Blattlaus als wichtigste Überträgerin der virösen Vergilbung und gegen eine Zikade, welche die gefürchtete bakterielle SBR (Syndrome Basses Richesses)-Vergilbung verbreitet. Hier werden neben den entomologischen Grundlagen auch Diagnostiktests zur Bestimmung und Quantifizierung der verschiedenen beteiligten Viren und Bakterien etabliert. Zudem soll die Wirksamkeit von chemischen und alternativen Bekämpfungsmethoden wie z.B. Nützlingsstreifen, Untersaaten oder das Freilassen von Nützlingen (z.B. Nematoden gegen Zikadenlarven) untersucht werden. Eine weitere Herausforderung werden zunehmend auch pilzliche Krankheiten. Die wärmeren Sommer begünstigen v.a. das Vorkommen des Cercosporapilzes. Reduzierte Fungizidwirkungen und der Wegfall von weiteren chemischen Wirkstoffen machen die Untersuchung von alternativen Bekämpfungsstrategien dringlich. Weiter ist die Erstellung von Prognosemodellen zur Vorhersage des Blattlauszufluges oder des Cercosporaerstbefalls für die Praxis entscheidend, um den richtigen Behandlungszeitpunkt zu wählen. Ein weiterer Themenblock enthält Forschungsprojekte zur Herbizidreduktion resp. zum herbizidlosen Anbau (Bio, Ressourcenprogramme). Es werden einerseits Hackroboter getestet, andererseits v.a. für den Biolandbau wichtige Anbaumethoden wie Setzen von Stecklingen und die Dammkultur mit verschiedenen, biologisch abbaubaren Mulchfolien evaluiert. Abgesehen von diesen mittel- bis langfristigen Forschungsschwerpunkten hat die Fachstelle für Zuckerrübenbau die offizielle Sortenprüfung stark ausgebaut. Neu dazugekommen sind Versuche ohne Fungizidbehandlung sowie Versuche auf SBR- und Vergilbungsstandorten. Das Ziel ist, die toleranteste Genetik für die Befallsgebiete zu finden und den Produzenten zu empfehlen. Die Auswahl einer standortangepassten Sorte ist entscheidend für die Absicherung des Ertragspotentials im Krankheitsfall. Erstmals hat die Fachstelle für Zuckerrübenanbau in Zusammenarbeit mit Agroscope auch eine Resistenzprüfung von virusresistenten Sorten geplant. Die Erarbeitung dieser Massnahmen erfordert jedoch Zeit. Durch eine weiterhin hohe Anbaubereitschaft trotz der enormen Herausforderungen können die Pflanzer mithelfen, die Schweizer Zuckerproduktion zu erhalten.
Auskunft für Medienschaffende:
Dr. Madlaina Peter, wissenschaftliche Mitarbeitern, Schweizerische Fachstelle für Zuckerrübenbau (SFZ)
madlaina.peter@zuckerruebe.ch, 079 858 85 68
Dr. Alain Gaume, Forschungsbereichsleiter Pflanzenschutz Agroscope
alain.gaume@agroscope.admin.ch; 058 467 21 39
Josef Meyer, Präsident Schweizerischer Verband der Zuckerrübenpflanzer (SVZ) josef.meyer@domaineducrest.ch; 079 606 10 21